, Pflanzen

Tomaten selbst gekreuzt

Die AG Bauernparadeiser sorgt in Österreich für angepasste Vielfalt.

Feldbegehung bei Gmias

Früchte verschiedener Zuchtlinien vorbereitet für die Verkostung

Gefördert durch Erasmus+ konnten wir in diesem Jahr mit einer Gruppe sächsischer Gemüsegärtner zum Lernen nach Österreich fahren. Ziel waren Betriebe, die seit einigen Jahren gemeinsam mit der Arche Noah in der Arbeitsgemeinschaft Bauernparadeiser an hofeigenen und damit regional angepassten Tomatensorten züchten. Aktuell arbeiten rund 15 Betriebe an eigenen Sorten. Mit dabei sind auch Fairleben in Allhaming, Gmias in Bergham bei Linz und der Lerchenhof in Diendorf am Walde, die wir besuchen durften.

Der Hintergrund der regionalen Züchtungsbemühungen ist folgender: Große Züchtungsfirmen produzieren einheitliche Tomatensorten für standardisierte Anbaubedingungen, die mit viel Einsatz von Material und Technik in Folientunneln und Gewächshäusern geschaffen werden. In der Regel werden diese Sorten nach den Kriterien Ertrag, Einheitlichkeit und Lagerfähigkeit selektiert. Kleine handwerklich arbeitende Gartenbaubetriebe hingegen haben ihre ortseigenen Anbauvoraussetzungen, die oft nicht den industriellen Bedingungen der Massenkultivierung entsprechen. Sie wünschen sich für ihre Gegebenheiten Sorten, die gesunde Pflanzen und geschmackvolle Tomaten hervorbringen und die sie mit Freude am Markt verkaufen können oder deren Jungpflanzen sie gern für ihre Kundschaft anbieten. So entstand die Bauernparadeiser-Gruppe 2010 auf Initiative biologisch wirtschaftender Gemüseproduzenten, die das Thema Saatgutsouveränität und Züchtung wieder verstärkt selbst in die Hand nehmen wollten. Im gemeinsamen Zuchtprojekt tauschen sich die Gärtnerinnen und Gärtner seither über die eigenen Erfahrungen und Zielsetzungen aus. Diese sind nicht bei allen Betrieben gleich. Bei Fairleben geht es beispielsweise um freilandtaugliche Fleischtomaten, am Lerchenhof wird an der schmackhaftesten "Riesentomate" fürs Gewächshaus gezüchtet.

Zwei Zuchtziele habe sich jedoch in der gesamten Gruppe herauskristallisiert: Erstens sollen Sorten mit Samtflecken-Resistenz entstehen. Die Samtflecken sind eine Pilzkrankheit, die hauptsächlich in Gewächshäusern vorkommt und die im Bioanbau oft zu Problemen führt. Da Vielfaltssorten meist hoch anfällig dafür sind, werden diese mit Sorten gekreuzt, die eine Resistenz haben. Das zweite Zuchtziel ist die Entwicklung von Sorten, die im Freiland wüchsig sind, platzfeste Früchte ausbilden und lange der Braunfäule widerstehen. Denn geeignete Sorten für den Freilandanbau sind kaum mehr zu finden. Dabei ist es diese Produktionsweise, die am wenigsten Ressourcen verbraucht.

Gekreuzt wird jeweils durch Handbestäubung der Blüten. Bei der Fleischtomate fürs Freiland wurde beispielsweise ‚Rondobella‘, eine moderne, gegen Samtflecken resistente Sorte mit nur akzeptablem Geschmack, gekreuzt mit einer geschmacklich ansprechenden ‚Ochsenherz‘-Tomate oder mit den Sorten ‚Stupice‘ oder ‚Quedlinburger Frühe Liebe‘ aus der Arche Noah- Sammlung. Nach der Bestäubung folgen Jahre der Selektion, bis eine stabile neue Sorte entstanden ist.

Manche der Gärtnereien organisieren sich in regionalen Kleingruppen und verfolgen eine Zuchtlinie gemeinsam weiter. Dabei werden die Linien jeweils auf den Höfen angebaut und die besten, frohwüchsigsten Pflanzen mit den leckersten Tomaten ausgewählt. Die Samen dieser Auswahl werden im nächsten Jahr zu Jungpflanzen, die in fortgeschrittenen Generationen auch auf anderen Höfen mit unterschiedlichen Standortbedingungen angebaut werden. Sind solche Zuchtlinien schließlich stabil und haben sich auf mehreren Betrieben bewährt, wird in der Gruppe gemeinschaftlich entschieden, welche davon als Sorten angemeldet und verkauft werden sollen.  

Das Bauernparadeiser-Projekt funktioniert so gut, dass inzwischen neue Pflanzenarten für ähnliche Züchtungsprojekte warten. Erste Versuche auf dem Lerchenhof konnten wir anschauen. Sie haben das Ziel mehr Vielfalt beim Blattkohl zu schaffen. Dafür wurde Federkohl mit Rotem Grünkohl und Butterkohl gekreuzt. Diese lehrreiche Exkursion hat uns aufs Neue vor Augen geführt, wie aufwändig und unverzichtbar die Züchtungsarbeit ist, die hinter unseren leckeren, regionalen Gemüsesorten steckt.